ALLGEMEINES
Westlich vom zentralen Dachsteinmassiv mit dem höchsten Gipfel „Hoher Dachstein“ (MH 2995m) erstreckt sich der mit vielen steilen Gipfeln und Graten aufgebaute Gosaukamm. Zwei auffällige und weithin sichtbare, nebeneinander aufragende Felsformationen werden als „Bischofsmütze“ bezeichnet. Früher bezeichnete man den Doppelgipfel als Teufelshörner. Die zugleich höchste Erhebung im ganzen Gosaukamm ist die „Große Bischofsmütze“ mit 2458 m Meereshöhe. Berühmtheit hat dieser Berg nicht nur als Kletterparadies erlangt, sondern auch durch gewaltige Bergstürze in den Jahren 1993 und 2001.
Trotz dieser latenten Gefahrensituation ist die Bischofsmütze nach wie vor ein Anziehungspunkt für Alpinisten. Aber selbst der einfachste Anstieg über den sogenannten Normalweg erfordert Erfahrung, Schwindelfreiheit und Trittsicherheit. Reizvoll ist auch die Umgebung mit den blumenreichen Almen, Themenwege, Rundwege, Kraftplätze und interessanten, hochalpinen Übergängen.
Geografie: Die Kleine und Große Bischofsmütze befindet sich im Bundesland Salzburg und gehören zu der Gemeinde Filzmoos bzw. Annaberg-Lungötz. Der nächstgelegene Talort auf der Südseite ist Filzmoos. Der kürzeste Weg zum Berg (Mautstrasse) führt über die zwei Almgasthöfe Oberhofalm und Unterhofalm in rund 1300 m Höhe. In der Nähe vom Almsee beginnt der Aufstieg zur 1705 m hoch gelegenen Hofpürgelhütte. Das moderne Schutzhaus gehört dem Alpenverein und ist der ideale Ausgangspunkt für Kletterfahrten im Gosaukamm und Übergang nach Gosau mit den Gosauseen oder zum westliches Dachsteingebirge.
Ein etwas längerer, aber aussichtsreicherer Weg führt von der Aualm aus zur Hofpürgelhütte.
Die „Mützen“ sind nordöstlich über eine Felsbarriere mit der Armkarwand verbunden. Dazwischen erhebt sich der Schwingerzipf. Nordwestlich davon erstreckt sich das sogenannte Stuhlloch.
Geologie: Die Bischofsmütze besteht im oberen Bereich aus Riffkalk und ist vor rund 200 Millionen Jahren (Trias) im seichten, tropischen Meeren entstanden. Vor allem Mikrofossilien und Korallen haben dieses fast 1000 m hohe Riff aufgebaut. Wahrscheinlich war es ursprünglich ein Atoll am Beginn der Tiefsee und war dem eigentlichen Dachsteinmassiv vorgelagert. Die Entstehung der ganzen nördlichen Kalkalpen lag südlich vom Äquator und wurde der Dachstein erst mit der Gebirgshebung in die heutige Position verlagert. Der unter dem Riffkalk liegende Dolomit neigt zu starken, kleinförmigen Verwitterung und dadurch kommt es häufig zur Schuttbildung.
Die Hofpürgelhütte mit der Kleinen und Große Bischofsmütze um das Jahr 1980, also noch vor den großen Bergstürzen.
Große Bischofsmütze: Es war der legendäre Marktgraf Pallavicini, welcher 1879 versuchte, mit ein paar italienischen Gefährten den Hauptgipfel zu erreichen. Die Männer betraten dabei erstmals die Kleine Bischofsmütze. Einheimische beobachteten mit etwas Argwohn die Ersteigungsversuche durch sogenannte „Fremde.“ So stiegen im Juni desselben Jahres die aus Ramsau stammenden Führer Auhäusler und Steiner – der Vater des berühmten „Steiner Irg“ - von Norden (Stuhlloch) kommend erstmals auf die Große Bischofsmütze. Der Abstieg erfolgte dann über die südliche Gipfelschlucht, wo heute der 2009 sanierte Normalanstieg durchgeführt wird.
Ein paar Wochen später, am 9. Juli 1879, ließ sich als erster Tourist R. von Lendenfeld von den Erstbegehern auf den Hauptgipfel führen.
Erstbesteigungen: Ab dem Jahre 1902 erfolgten zahlreiche neue Erstbegehungen durch die Wände und über Felstürme und Kanten. Vor den großen Bergstürzen gab es an die dreißig verschiedene Anstiegsvarianten, welche sich nach den Wandabbrüchen auf etwa fünfzehn reduzierten.
Stellvertretend für etliche Tourenberichte ist nachfolgend ein Bericht von Willi End angeführt, welcher mit seinen Kameraden Hans Dubowy die Erstbegehung der direkten Bischofsmütze-Nordwand durchführte.
„Am 28, Juni 1941 stiegen wir zeitlich in der Frühe von der Theodor-Körner-Hütte über das steile Schuttkar in Richtung zur Stuhllochscharte auf, um durch die wuchtigen Steilabstürze der Bischofsmütze-Nordwand einen Durchstieg in der Gipfelfallinie zu finden.
Unser Kamerad Franz Primas beschrieb uns noch vorher den Einstieg der früheren Bewerber Elmauthaler-Mischitz, sowie den der beiden Münchener Vörg-Eidenschink. Diese Seilschaften versuchten auch die Wand in der direkten Gipfelfallinie zu durchsteigen.
Wir versuchten damals etwa 3m links des fast überhängenden Nordwandpfeilers erstmals unseren Durchstieg. Über abwärts geschichtete brüchige Platten ging es zwei Seillängen empor, wo wir auf Haken unserer Vorgänger stießen. Nochmals ging es eine Seillänge aufwärts, da aber sprengte beim Einschlagen eines Hakens eine große Platte los und verletzte meinen Kameraden am Knie, sodaß wir zum Rückzug gezwungen waren.
Am 19. Juli stiegen wir zum zweitenmal in die Nordwand ein. Dieses mal begann unser Einstieg unter dem Nordwandpfeiler an dem in das Schuttkar am weitesten vorspringenden Felssporn. Von hier 50m Querung nach links (Haken) und weiter links ansteigend bis zu einem großen Überhang. (Standplatz; Haken). Nun begann eine 40m hohe Rißreihe bis zu einen kleinen Stand. Ein rasch hereinbrechendes schweres Gewitter zwang uns auch diesmal zum Rückzug.
Es war der 3. August 1948, da standen wir wiederum vor dieser wuchtigen Nordwand. Der Weg führte uns diesmal in der gleichen Linie wie am 19. Juli aufwärts. Vom letzten Versuch zurückgelassene Haken ermöglichten uns ein rascheres Höherkommen bis zu dem Platz, wo wir durch Wettersturz zur Umkehr gezwungen worden waren. Von hier führte uns ein kurzer Quergang nach rechts. Weiter ging es über schwierige Risse und Platten bis hinauf zu dem großen Dach, das schon von unten in der Nordwand sichtbar ist (Haken). Vom Dach kurz nach rechts und über Platten gerade empor zu den oberen Rißreihen. Durch diese empor und über leichte Schrofen zum Gipfel.“
Anmerkung: Es wurde nie restlos geklärt, ob nicht schon am 3.8.1941 F. Palaoro mit F. Spitzelburger die Erstbegehung durchführte. Der aus Baden bei Wien stammende Willi End zweifelte an dieser Aussage, weil man im ganzen oberen Wandteil keine Anzeichen einer Begehung (Haken) gefunden hatte.
Sicher ist auf jeden Fall, dass am 11.9.1948 eine weitere Begehung durch Erich Neubauer und Bruno Wintersteller erfolgte.
Das Gipfelkreuz auf der Großen Bischofsmütze in 2.458 m Meereshöhe.
Die Aussicht ist überwältigend.
Schon der leichteste Anstieg (Normalweg) weist einen Schwierigkeitsgrad von 2+ auf.
Vor dem Bergsturz gab es ein gutes Dutzend Anstiege zum Gipfel, welche durchwegs die höchsten Schwierigkeitsstufen aufwiesen.
Ein weiterer Bericht stammt von der Erstbegehung durch die Südwandhöhle (Mützenkirche, Petz-Steiner-Trichter). Am 11.9.1935 durchkletterten der weitum bekannte Bergführer Georg Steiner („Steiner Irg“) mit Stephan Petz jun. durch einen unterirdischen Trichter zum Gipfel. Auch wenn es diese Mützenkirche seit dem Bergsturz nicht mehr gibt, so lohnt es sich doch, diese historische Beschreibung festzuhalten.
„Wir hatten das Glück, im Innern der Großen Bischofsmütze einen Durchstieg zu finden, der zu den interessantesten von allen Anstiegen zählt und nicht seinesgleichen in den Alpen hat. Derselbe führt buchstäblich im Inneren des Berges zur Höhe; teils Eisarbeit, teils überaus schwierige Kletterei. Das Einstiegsloch zum Trichter liegt am Fuße der Großen-Mütze-Südwand unter der Verschneidung. Die Höhe bis zum Ausstieg beträgt ca. 70 – 80 m. Der Ausstieg mündet unterhalb der Steiner-Mützenmandl-Schlucht und der Südseite der Mütze und führt der Weiterweg von dort an der Südseite bis aufs Mützendach, dann in der Ostflanke zum Gipfel.
Beleuchtung zu empfehlen. In 15 bis 20 Meter Höhe kann man ohne Licht auskommen. Trichterdurchmesser 5-8m; glatter, abgeschliffener Fels, wenig Griffe.
Vom Einstiegsloch einige Meter leicht aufwärts durch das schmale Loch bis zur Eissäule. Zwischen dieser und dem Fels senkrecht empor ca. 20-25 Meter auf die Eiskanzel. Von dieser in gleicher Richtung über den Eisanstieg sich schräg hinaufziehenden, schmalen Riß ca. 1 ½ Seillängen schwierig empor bis zu einen Haken. Quergang auf ein Band rechts, Hangelstelle. Diese verfolgend aufwärts in eine kleine Scharte ins Freie; hier den Grat 1 Seillänge empor in die Steiner-Mandl-Schlucht, rechts haltend zwischen dem Seiner-Mützen-Mandl und der Südwand kaminähnlich ca. 20 Meter gerade emporstemmen und rechts hinauf auf das Gipfeldach der Mütze. Der Trichterdurchstieg läßt sich auch leicht mit allen Südwand-Routen verbinden, außer mit dem Jahnweg.“
Die Routen durch die Südwand der Großen Bischofsmütze
Auch heute noch zählt der "Jahnweg" (siehe Bild) zu den klassischen Touren durch die Südwand. Diese Variante führt direkt in der Falllinie zum Gipfel.
Die Erstbegehung gelang O. Laubheimer und G. Jahn am 6. Juli 1903 ohne Verwendung von Mauerhaken.
Noch schwieriger war der Wanddurchstieg westlich vom „Jahnweg“, welchen Erwin Schneider und R. Rolfes im Juni 1929 durchführten.
Diesen sogenannten „Schneiderweg“ gibt es seit dem Felssturz nicht mehr.
Das Foto zeigt den Berg- und Höhlenführer Ferdinand Winterauer aus Bad Goisern.
Kleine Bischofsmütze (2430m): Nur 28m niedriger als der Hauptgipfel, wird die Kl. Bischofsmütze relativ selten erstiegen. Der meistbenutzte Anstieg ist anfangs identisch mit dem Normalanstieg auf die Große Bischofsmütze und dann insgesamt etwas schwieriger. Die Erstbesteigung erfolgte, wie anfangs angeführt, im Jahre 1879. Die erste Besteigung von Westen (Stuhlloch) her erfolgte 1895. Der nordöstliche Gipfelzacken und zugleich höchste Punkt wurde nach den Erstbegeher „Wessely-Turm“ benannt. Auch auf die Kleine Bischofsmütze führen einige sehr schwierige Routen durch die teils senkrechen Wände.
Die Pioniere: In der Zeit zwischen 1920 und 1932 und dann wieder die Jahre nach den zweiten Weltkrieg wurden die meisten Erstbegehungen der Wände, Grate und Kanten rund um die Bischofsmützen durchgeführt. Alle Touren liegen im höchsten Schwierigkeitsgrad und es ist erstaunlich, dass es dabei relativ wenige Unfälle gab. In Bergsteigerkreisen noch heute klingende Namen wie K. Prusik, H. Peterka, F. Zimmermann, W. Lackner, W. Huber, B. Wintersteller, P. Schintlmeister, S. Stahrl, Karl Lukan, V. Wessely etc. gaben sich hier ein Stelldichein. Der legendäre Ramsauer Bergführer „Irg“ Steiner war an zahlreichen Erstbegehungen beteiligt.
Mittlerweile gibt es in der Umgebung der Bischofsmütze einige neue Kletterrouten sowie die Möglichkeit, mit erfahrenen Bergführern das Bergsteigen in allen Schwierigkeitgraden zu erlernen.
Der große Bergsturz: Am 20.September 1993 stürzte der rund 200m hohe Felspfeiler in der Südwand bzw. Südostkante in die Tiefe. Bis zu 150.000 Kubikmeter Felsen donnerten in zwei Phasen über die Mützenschlucht in Richtung der Almen. Eine gigantische Staubwolke verhinderte die Sicht, bis dann die abgebrochene rötliche Felswand zum Vorschein kam. Die Ursache dieses Felssturzes ist vermutlich eine Verkarstung durch eingedrungenes Wasser in den vielen Höhlungen des Kalkgesteines. Solche Massenbewegungen gab es schon mehrfach im Salzkammergut (Hoher Plassen, Zwerchwand, Sandling, Gschliefgraben).
Im Jahre 2001 lösten sich nochmals 25.000 Tonnen Felsgestein von der Großen Bischofsmütze. Gottseidank kam bei beiden Felsstürzen kein Mensch zu Schaden.
Seit diesem Jahr wird der Berg von Geologen alle zwei Jahre mittels Messreihen überprüft. Dieser formschöne Berg ist labil und man muss in Zukunft mit weiteren Naturereignissen rechnen.
„Königin Bischofsmütze“: Trotz aller möglichen Gefahren gehört die „Mütze“ zu den interessantesten Gipfeln im Dachsteingebirge. Die Aussicht vom Gipfelkreuz ist fantastisch, die ganze Umgebung ungemein eindrucksvoll. Verschiedene gastfreundliche Hütten laden zum Verweilen oder Übernachten ein. Es ist für jeden Besucher ein unvergessliches Erlebnis. Wer das Glück hat, kann Steinadler, Gemsen oder Steinböcke beobachten.
Impressionen vom Gosaukamm
Bischofsmütze und Gosau in alten Ansichten
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